Das zerfallene Jugoslawien war wirklich ein großes Land, bevölkert von ganz unterschiedlichen Volksgruppen. Das wurde uns wieder bewusst, als wir von Kroatien nach Montenegro fuhren. Heute sind auch deutlich die wirtschaftlichen Unterschiede sichtbar. Kroatien, insbesondere die touristische Gegend um Dubrovnik, unterscheidet sich in Hinblick auf Infrastruktur, Ordnung und Sauberkeit augenscheinlich wenig von unserer Heimat in Deutschland. Alles ist sauber, die Straßen gut und neu (ok, es gibt doch Unterschiede zu daheim) und alles recht gut organisiert. Man könnte auch sagen: Etwas vorhersehbar und wenig abenteuerlich. BIH war da schon anders und auch Montenegro konnte uns wirklich überraschen!
Unsere Reiseschwerpunkte lagen auf der Bucht von Kotor, dem Durmitor Nationalpark im Norden und der Mittelmeerküste im Süden.
Inhalt
Die Anreise. Klischees werden bedient.
Von Dubrovnik ist es nur ein Katzensprung bis zur Grenze nach Montenegro. Bereits etliche Kilometer vor der Grenze begann der Stau und es dauerte über eine Stunde, bis wir endlich am Ausreiseschalter auf der Kroatischen Seite waren. Mit uns in der Schlange: Fast nur dicke schwarze Limousinen deutscher Hersteller, alle bereits ein paar Jahre alt und mit politisch äußerst inkorrekter Motorisierung ausgestattet. Die Reifen breit, die Beifahrerin sehr blondiert, der Fahrer in der Regel mit ordentlich Muskeln und einer fetten Goldkette bepackt. All diese Fahrzeuge haben Süddeutsche, Österreichische oder Schwedische Kennzeichen. Oje, es ist Urlaubszeit und man zeigt der Verwandtschaft in der alten Heimat mit wenig subtilen Mitteln, dass man es anderswo geschafft hat – für uns zugegebenermaßen ein etwas befremdliches Bild.
Kotor und die gleichnamige Bucht
Nach erfolgreicher Einreise suchten wir uns einen kleinen Campingplatz direkt an der Bucht von Kotor. Der Himmel war wolkenverhangen und die Vorhersage war wenig erfreulich für unsere Tage an diesem schönen Ort. Die kleinen Campingplätze hier an der Bucht sind sehr einfach gehalten, in der Regel mit einem Klohäuschen und einer kalten Außendusche. Das erinnerte uns fast schon wieder ein wenig an Südamerika. Jedenfalls ist es ein ganz anderes Bild als im benachbarten Kroatien. Als dann der Himmel seine Schleusen öffnete, verkrochen wir uns zunächst in einem benachbarten Cafe (Kaffee 1€) und danach in unserer Kabine.
Die Stadt Kotor mit ihrem Naturhafen ist ein Touristenmagnet und man kann durchaus verstehen, warum. Der Stadtkern ist von einer eindrucksvollen Stadtmauer umgeben und man kann die Altstadt von der Festung „San Giovanni“ aus für 8 € pro Person von oben anschauen. Der Bummel durch das Städtchen lohnt sich auf jeden Fall, überall laden kleine Restaurants und Cafés zum Verweilen ein und im Hafen und der Bucht kann man die großen Kreuzfahrtschiffe bewundern, die ihre Besucher in die Stadt ausschütten. Kotor erleidet übrigens jetzt in der Urlaubszeit gerne einen Verkehrsinfarkt. Apropos Verkehr: Wir konnten für 0,80 € pro Stunde auf dem öffentlichen Parkplatz parken. Ein fairer Preis, wie wir finden.
Lovcen – das Gebirge oberhalb von Kotor
Die Fahrt von Kotor in das Lovcen Gebirge ist eine der eindrucksvollsten Straßen, die wir je gefahren sind. Die kleine Straße windet sich von Meereshöhe steil nach oben auf ca. 1500 Meter. Dabei tut sich immer wieder der Blick auf die Bucht von Kotor auf, die man von den höchsten Punkten aus komplett überblicken kann. Leider war bei uns das Wetter nicht gut und der Wildcampingplatz, den wir uns für die Nacht ausgesucht hatten, war nur mit Allrad über einen felsigen schmalen Pfad erreichbar. Dazu der Nebel und der Regen. Ganz schön abenteuerlich und etwas bedrohlich, denn hier oben herrscht vollständige Einsamkeit. Nachts bekamen wir bei Starkwind und Sauwetter auch noch Besuch von zwei freundlichen Jägern und ihren Hunden.
Morgens dann ein ganz anderes Bild. Die Wolken haben sich verzogen und wir konnten von unserem Schlafplatz bis hinab aufs Meer blicken.
Auf dem Weg ins nördliche Montenegro besuchten wir noch das Njegoš-Mausoleum, welches zu Ehren des Dichters Petar II. Petrović-Njegoš errichtet wurde. Die Aussicht von dort oben ist ebenfalls wieder beeindruckend.
Durmitor Nationalpark
Unser nächstes Ziel lag im Norden Montenegros. Das kleine Land ist etwa so groß wie Schleswig-Holstein und lässt sich gut in einem Tag von Süd nach Nord durchreisen. Allerdings sollte man dabei berücksichtigen, dass es sich um ein gebirgiges Land mit wenigen großen Straßen handelt. Unsere Route vom Lovcen bis nach Niksic im Zentrum Montenegros war prinzipiell eine einspurige Asphaltstraße, die sich über ca. 100 km (über 2 Stunden Fahrzeit) in unzähligen Kurven dahin schlängelte. Herrlich, wenn man gerne Auto fährt. Diese Straßen machen Montenegro auch zu einem Paradies für Motorradfahrer.
Nach einer kurzen Pause am Krupac See war unser nächster Stop der hochgebirgige Durmitor Nationalpark.
Gastfreundschaft
Hier eine kleine Anekdote zu diesem Stopp. Wir waren ziemlich hungrig und wollten uns ein Brot schmieren und unseren Mittagssnack dann am Besten mit “Aussicht” verzehren. Wir fanden einen gekiesten Platz 20 Meter vom See entfernt, unterhalb eines Blockhauses. Kaum war Armin in der Kabine verschwunden, kam ein Mann aus dem Haus dicht gefolgt von einem ziemlich großen Hund. OK, immer in die Offensive gehen, ich grüßte freundlich und fragte, ob wir 5 Minuten stehen bleiben dürfen. “No problem” war die Antwort. Ein paar Minuten später kam der Mann dann zu uns runter und ich dachte, jetzt werden wir wohl doch verjagt. Aber ich lag vollkommen falsch. Der Mann gab uns die Hand, stellte sich vor und bot an, sein Auto von der nebenan betonierten Fläche wegzufahren, damit wir gerade stehen würden. Und außerdem bot er uns an, seinen privaten Seezugang zu nutzen, um eine Runde schwimmen zu gehen. Das Schlimme ist, man rechnet gar nicht mit so viel Gastfreundschaft, man geht oft vom Unangenehmsten aus. Das muss sich in meinem Kopf erst noch ändern. Dies war nur eines von vielen Beispielen, wie uns die stets aufgeschlossenen Montenegriner begegneten.
Ausgangspunkt für Wanderungen im Nationalpark ist das quirlige Städtchen Zabljak, wo man Quartiere und Versorgungsmöglichkeiten vorfindet. Wir entschieden uns, die ersten beiden Nächte im Autocamp Razvršje zu übernachten. Der freundliche Besitzer Mischa war direkt mit Schnaps und Kaffee zur Stelle, so dass es kaum möglich war, erstmal nur zu schauen und dann ggf. weiter zu fahren. Wirklich ein charmantes Verkaufstalent der Mann! Der Platz selber war stark von Jugend- und Pfadfindergruppen frequentiert und das Gelände noch matschig von den vorangegangenen Regenfällen. Entsprechend übel sahen die Sanitäranlagen aus. Nach einem kritischen Blick von Tanja bekamen wir dann aber den Schlüssel zu einem der freien Apartments mit eigenem Bad – eine sehr nette Geste des Chefs. Das Internet war auch schnell und stabil, so dass man für 10 € pro Nacht für 2 Personen mit Camper alles hat, was man braucht. Vom Platz aus kann man zu diversen Wanderungen aufbrechen, die in der Regel am Crno Jezero, dem schwarzen See, beginnen. Es lohnt sich übrigens auch, direkt auf dem Campingplatz Rafting- oder Zipline Touren für die im Norden des Nationalparks gelegene Tara-Schlucht zu buchen. Es gibt ordentlich Rabatt verglichen mit den Internet-Angeboten.
Der Eintritt zum Durmitor Nationalpark kostet für ein Eintagesticket 3 €, für ein 3-Tagesticket 6 € und für ein Wochenticket 12 € pro Person. Man wird sporadisch auf Wanderungen kontrolliert oder auch, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Hat man dann noch kein Ticket, kann man es immer direkt bei den freundlichen Rangern erwerben.
Tara-Schlucht und Sedlo-Pass
Von Zabljak ausgehend beginnen zwei „Panoramic Roads“. Die Route 2 führt im Norden entlang der Tara-Schlucht und bietet immer wieder tolle Einblicke in einen der tiefsten Canyons Europas und Einstiege zu möglichen Wanderungen. Die Route ist gut gekennzeichnet. Aber Vorsicht: Es ist auch diesmal (zum Glück) nur eine einspurige kleine Asphaltstraße, so dass man bei Gegenverkehr immer wieder anhalten oder rangieren muss. Alles was größer als ein VW-Bus oder unser Camper ist, kann durchaus Probleme bekommen.
Am westlichen Ende der Route, nach ca. 1 Stunde reiner Fahrzeit, trifft man auf die Route 1, die etwas weiter südlich über den Sedlo-Pass zurück nach Zabljak führt. Fährt man beide Straßen, umrundet man das Massiv komplett.
Wir haben uns entlang der Passstraße einen tollen Wildcampingplatz gesucht, um dann früh morgens die Besteigung des höchsten Berges im Durmitor Nationalpark in Angriff zu nehmen.
Wanderung auf den Bobotov Kuk (2522 Meter)
Am Besten informiert man sich vor Ort über die möglichen Wanderungen auf den Gipfel. Unsere Route ist eine recht anstrengende Variante, da wir einen Zwischeneinstieg gewählt haben, bei dem wir zunächst querfeldein über feuchte Wiesen gehen mussten, bevor wir überhaupt auf dem gut markierten Pfad ankamen. Der einfachste Einstieg ist auf der Sedlo-Passhöhe. Die Wanderung ist sicher eines der Highlights auf einer Reise in den Durmitor Nationalpark und man sollte gute Wanderstiefel tragen und trittfest und schwindelfrei sein. Im Bereich des Gipfels gibt es einige Drahtseile als Sicherung, Gurtzeug wird aber nicht benötigt. Bei gutem Wetter lässt sich das gesamte Massiv überblicken – herrlich!
Blick auf den Fluss Crnojević, nahe dem Skutarisee (Lake Shkodra)
Nach einer Nacht am Slansko See in der Nähe der Stadt Niksic und einem sehr netten Plausch mit einer einheimischen Familie, ging es für uns weiter in Richtung Albanien. Da wir aber nach den anstrengenden Tagen in den Bergen noch etwas die Batterien aufladen wollten, führte uns der Weg wieder in den Süden in Richtung Meer. Zunächst passierten wir auf abenteuerlichen Straßen einen Viewpoint mit Blick auf den Fluss Crnojević, der in den Skutarisee fließt und mit seinen Seerosen und den Hügeln fast aussieht, als würde er irgendwo in Asien liegen.
Mittelmeerküste
Vorsicht, wenn man dieses Idyll in Richtung Küste verlässt. Da ist es im Hochsommer nämlich vorbei mit der Beschaulichkeit! Die Stadt Budva ist das Zentrum des Montenegrinischen Badetourismus und mit seinen Hochhäusern und Bettenburgen komplett zugebaut. Wir folgten der Straße weiter gen Süden und entschlossen uns, hinter Ulcinj einen Campingplatz aufzusuchen. Die Strände sind voll mit Miet-Liegen und die Straßen sind gesäumt von Bauruinen. Ein wirklich gewöhnungsbedürftiges Bild. Zusätzlich treffen wir wieder unsere Freunde mit den dicken Limousinen – es schließt sich der Kreis.
Fazit Montenegro
Das Land hat uns wirklich gefesselt. Auf kleiner Fläche bietet es unendlich viel: Seen, Hochgebirge, historische Städte und Meer. Was uns aber am meisten imponiert hat, sind die Menschen: Haben wir in Slowenien und Kroatien die Menschen noch als etwas reserviert erlebt, sind wir in Montenegro mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen. Wir wurden gefragt, wie uns das Land gefällt, wie es bei uns zuhause so ist und es wurden Fotos zusammen mit uns gemacht. Ob man nach dem beschaulichen Hinterland an die Küste begeben mag, muss jeder selbst entscheiden.