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Magische Routen
Wenn man gerne reist und insbesondere, wenn man dies auf dem Landweg tut, dann gibt es diese magisch klingenden Routen. Mit diesen Strecken verbinden wir Bilder und Erwartungen und es kribbelt im Bauch, wenn man sich vorstellt, diese Routen selber zu beschreiten. So ging es mir zuerst mit der Panamericana. Ich hatte Diavorträge, oder wie es heute treffender heißt: Multivisionsshows zu dieser Route gesehen und hatte große Sehnsucht, selber einmal auf dieser Strecke durch beide amerikanischen Kontinente unterwegs zu sein. Zu groß erschienen mir aber zunächst die Hürden: Ist es nicht zu gewagt, sich eine mehrmonatige oder gar mehrjährige Auszeit dafür zu nehmen? Finde ich danach wieder einen Job? Außerdem spreche ich doch gar kein Spanisch und in Mexiko geht es doch ganz sicher nicht so zivilisiert zu wie im gemütlichen Baden-Württemberg. Dann lernte ich Tanja kennen und schnell war klar: Magische Routen bereist man am besten mit einem magischen (Reise-) Partner. Plötzlich sind die Hürden nicht mehr so hoch, der scheinbar unerreichbare Traum kann Realität werden. So war es dann 2013 / 2014 so weit und wir starteten die erste große “Overland”- Reise in Kanada.
Kairo – Kapstadt
Afrika sagt man, ist ein Kontinent, der einen nie wieder los lässt. Ein Ort voller Schönheit und Herzlichkeit und ein Ort voller Armut und Not. Mit kaum einem anderen Kontinent verbinden wir so viele Bilder und Stereotype und haben dennoch keine Ahnung, wie es dort wirklich zugeht. Die Durchquerung des afrikanischen Kontinents von Nord nach Süd gilt für viele Overlander deshalb nach wie vor als die größte Herausforderung. Die Zeiten der “Saharafahrer” sind vorbei, Algerien ist abgeriegelt und Libyen zerstört. Man muss sich deshalb früh entscheiden, ob man eine westliche Route wählen will, die in Marokko beginnt oder eine östliche Route, die in Ägypten startet. Kairo nach Kapstadt, Cairo to Cape Town. Für mich war klar: Diesmal muss es diese magische Route sein. Zumal ich nur auf dem Papier meines Lebenslaufs Französisch kann, was gegen Westafrika spricht.
Im November 2019 berühren wir zum ersten Mal auf dieser Reise den afrikanischen Boden. Während unser Auto mit dem Schiff auf dem Weg nach Alexandria ist, landet unser Flieger von Athen auf dem Flughafen in Kairo. Wir sind aufgeregt, denn die herrliche Zeit mit dem Camper in Griechenland und der Türkei ist quasi zu unserer persönlichen Komfort-Zone geworden. Sowohl in Management-Seminaren als auch in Persönlichkeits-Coachings heißt es ja immer wieder, dass man diese Zone verlassen muss, wenn man etwas ändern will, etwas grundlegend neues erfahren möchte oder den Wunsch hat, an sich selber neue Facetten zu entdecken. Als wir mit einigen Taschen bepackt aus dem Flughafengebäude in die stickig-heiße Abendluft Kairos treten, verlassen wir unsere Komfortzone wortwörtlich. Und was soll ich sagen: Es fühlt sich ziemlich unkomfortabel an. Wir lernen das arabische Afrika kennen in einer Metropole, die geprägt ist vom Lauf der Jahrtausende: Dreckig, laut, geschäftstüchtig, voller Bürokratie aber auch auf ihre Art herzlich und immer aufregend.
Als wir in Äthiopien ankommen, haben wir wieder das Gefühl, in eine ganz andere Welt einzutauchen. Nach den von der Wüste und dem Nil geprägten muslimischen Ländern des Nordens wird es hier auf einmal grün und bergig. Die meisten Menschen tragen hier die Uniform der westlichen Jugend: Jeans, T-Shirt und Hoodies. Überhaupt die Menschen. Sie sind überall. Egal wie weit man von der nächsten Stadt entfernt ist: Kaum hält man kurz an, ist man umringt von einer Menschentraube. Äthiopien ist das Land der Extreme. Die Erfahrungen mit den Menschen hier sind die schlimmsten und die besten auf unserer bisherigen Reise. Beides liegt manchmal nur ein paar Stunden oder Kilometer voneinander entfernt.
Willkommen in Ostafrika
Mit Kenia kommen wir an in Ostafrika. Man könnte verleitet sein zu sagen: In das echte Afrika. Aber das ist natürlich grober Unfug. Der Moschee-Besucher in Khartum ist genau so ein echter Afrikaner wie der Geschäftsmann in Kapstadt, der aus seinem Audi Q5 steigt. Oder eben die Frau in Kenia, die mit einem Wasserkrug auf dem Kopf einen weiten Weg zum nächsten Brunnen geht. Das ist das Schöne am Reisen: Man kann seine Vorstellungen und Erwartungen mit der Realität abgleichen und dabei Vorurteile zerschlagen. Vieles auf diesem Kontinent werden wir nie verstehen. Im Kleinen kann man es aber versuchen.
Ostafrika gefällt uns gut. Von Kenia aus umrunden wir den Viktoriasee und kommen Anfang März in Tansania an. Die Herzlichkeit und der Stolz der Menschen hier imponieren uns. Es wird nicht wie selbstverständlich Englisch gesprochen und wir freuen uns über die paar Brocken Swahili, die wir aufschnappen. Die Begegnungen hier sind stets auf Augenhöhe und die Fragen der Menschen ehrlich und nicht nur der Auftakt zu einer Verkaufsveranstaltung. Die Bevölkerung teilt sich fast zu gleichen Teilen in Christen und Muslime auf und in den meisten Regionen, die wir besuchen, scheint das Zusammenleben gut zu funktionieren. Dann kommt Corona und die weltweite Panik. Wir reisen nach Deutschland, treffen Freunde und Familie wieder und können froh und dankbar sein, dass unser Auto in Tansania steht. Denn dieses Land schließt seine Grenzen nicht für Touristen. Im Juli 2021 kehren wir nach drei Monaten zurück und setzen unsere Reise fort. Auch das lernen wir in dieser Zeit mehr denn je: Was zuhause über Afrika berichtet wird, hält einer eigenen genaueren Betrachtung nur bedingt stand und bedient nicht selten genau die Vorurteile, die wir versuchen abzuschütteln.
Langsamkeit
Langsamkeit. Als wir im Juli 2019 aufgebrochen sind, kamen wir aus unserem dynamischen, bisweilen hektischen (Arbeits-) Alltag. Dies übertrug sich direkt auf die Art und die Geschwindigkeit des Reisens. Wir wollten Afrika durchqueren und danach noch eine große Schleife durch Südamerika drehen. Schnell war klar, dass dies in der aktuellen Situation nicht möglich sein wird. Wir reisen nun von Land zu Land und nehmen uns Zeit. Als die Grenzen sich öffnen, geht es nach Sambia und von dort weiter nach Namibia. Anfang November bekommen wir Besuch von Tanjas Eltern und fühlen uns mal wieder wie echte Urlauber: Hohes Reisetempo, viel Input in kurzer Zeit. Das macht auch Spaß! Danach geht es wieder langsamer voran und wir verbringen ganze drei Wochen auf einem freundlichen Camp am Oranje River, da die Grenzen nach Südafrika wieder zu sind. Aber auch das geht vorbei.
Das südliche Afrika
Südafrika ist anders. Manchmal kommt man sich vor wie in den USA: Die Campsites sind geräumig und haben Raum für große Caravan-Gespanne. Die Hauptstraßen sind breit und die Shoppingcenter riesig. Die Städte haben gepflegte Vorortsiedlungen und die Menschen, die es zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben, leben hier den Traum von “Suburbia”. Wählt man aber einen anderen Weg aus der Stadt, sieht man eine Besonderheit südafrikanischer Städte, die es so in den USA oder Europa nicht gibt: Ausgedehnte Siedlungen aus Bretter- oder Wellblechbuden, die so genannten Townships. Als Besucher ist es schwierig, zur Seele dieses zerrissenen Landes vorzudringen. Vermutlich weil es diese eine Seele gar nicht gibt. Zu unterschiedlich sind die Lebensumstände, Ziele und Träume der Menschen in der “Regenbogennation”.
Vom Bodensee zum Kap
Stockach – Kairo – Kapstadt. Tatsächlich kommen wir im März 2021 in Kapstadt an. Mit Ausnahme der Passage über das Mittelmehr haben wir die gesamte Strecke auf eigener Achse hinter uns gebracht. Unser Mitsubishi hat knapp 50.000 Kilometer mehr auf dem Tacho als beim Start im Juli 2019 in Stockach und zeigt sich sichtlich ermüdet. Man könnte meinen, er hätte sich seinen Lebensabend anders vorgestellt. Das kann ich wiederum überhaupt nicht verstehen: Hier am Kap der Guten Hoffnung würde ich am liebsten für immer ein Reisender und Abenteurer sein.
Ja Armin viel erlebt. Überwiegend schönes und es geht noch weiter.
Wünsch euch noch viele interessante Erlebnisse.
Wolfgang
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